Diskriminierungssensibilität

Diskriminierungssensibilität

Diskriminierung, Gesellschaft und Gesundheit

Wir leben in einer ökonomisch und sozial sehr ungleichen Welt. Da ein Abbau dieser Ungleichverhältnisse mit der Umverteilung von Ressourcen einhergeht, gibt es dagegen viel Widerstand. Diskriminierung ist ein Mittel, um Umverteilung zu verhindern, indem sie marginalisierte Positionen schwächt und privilegierte Positionen stärkt.

Diskriminierung zeigt sich in Gewalt, Benachteiligung, Abwertung und Marginalisierung von Menschen aufgrund ihrer (vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeit. Dies wird mit den Begrifflichkeiten Rassismus, Klassismus, Sexismus, Homo-, Inter*- und Trans*phobie, Ableismus, Adultismus etc. benannt. Menschen, die Mehrfachdiskriminierungen erleben, werden oft besonders stark diskriminiert.

Diskriminierung und Marginalisierung führt zu gesundheitlichen Belastungen. Gleichzeitig erhalten diskriminierte Menschen eine schlechtere Gesundheitsversorgung als Menschen, die mehr Privilegien haben. Menschen, die Marginalisierung und Diskriminierung erfahren, werden also gesundheitlich mehrfach benachteiligt.

Machtkritische therapeutische/beraterische Haltung

Eine machtreflektierte therapeutische und beraterische Begleitung ist relevant, um im therapeutischen/beraterischen Setting möglichst wenig Diskriminierung zu wiederholen. Eine gute Begleitung sollte meiner Haltung nach mindestens dazu beitragen, bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten nicht zu verfestigen oder sogar zu verstärken. Sie sollte Ungleichheiten dort, wo es für die gemeinsame Arbeit relevant ist, benennen und marginalisierte Positionen stärken.

Sie sollte Menschen, die Marginalisierung erleben und dies wünschen, unterstützen herauszufinden, wie sie erfahrende Diskriminierung und Marginalisierung verarbeiten können und wie sie sich möglichst souverän und verletzungsarm in diesen gesellschaftlichen Strukturen bewegen können. Sie sollte Menschen die Möglichkeit bieten, sich kritisch mit ihren Privilegien auseinanderzusetzen.

Für Menschen, die Marginalisierung erleben, kann es äußerst wohltuend sein, Räume zu haben, in denen sie nicht ständig marginalisiert oder diskriminiert werden. Eine diskriminierungssensible Therapie oder Beratung kann für eine Weile ein solcher Ort sein.

Konsequenzen für die therapeutische/beraterische Person

Nur wenn ich als professionelles Gegenüber fortwährend über Privilegien und Diskriminierung lerne, kann ich eigenes diskriminierendes Denken und Verhalten verringern. Nur dann kann ich die Bedeutung von Diskriminierungsstress für meine Klient*innen ausreichend nachvollziehen, einordnen und anerkennen. Nur dann kann ich meine Klient*innen auch zu anderen Themen gut begleiten. Nur dann kann ich, wenn gewünscht, hilfreiche therapeutische/beraterische Angebote zum Umgang mit Diskriminierungs- oder Marginalisierungsstress machen. Dabei ist auch hierbei wichtig, dass die Erfahrungen und Anliegen meiner Klient*innen leitend bleiben und nicht etwaige Annahmen von meiner Seite.

Für meine eigene Sensibilisierung als Therapeut*in/Berater*in nutze ich mein Fach- und Erfahrungswissen aus beruflichen, privaten und politischen Kontexten, regelmäßige Super- und Intervisionen sowie eigene aktive Auseinandersetzung (Reflexion meiner persönlichen Erfahrungen von Privilegierung und Diskriminierung, Austausch mit anderen Personen, Lesen themenbezogener Literatur etc.).

Ich bin mir bewusst, dass ich Grenzen habe, mich diskriminierungsarm zu verhalten und/oder hilfreiche Angebote zum Umgang mit Diskriminierungs- und Marginalisierungsstress zu machen. Ich bin dankbar für (kritische) Rückmeldungen und beziehe sie in meine weitere Arbeit ein. Auch kann ich, aufgrund meiner eigenen Positionierungen (siehe Persönliches), nicht jedem Menschen einen gleichermaßen diskriminierungsarmem Raum zur Verfügung stellen und jedes Anliegen gleichermaßen hilfreich unterstützen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, bei Bedarf gemeinsam zu besprechen, wie sich hiermit am besten umgehen lässt.